Zur Eröffnung der Ausstellung im Universitätsklinikum Jena

(…) Die Tondi sowie die „circulation“-Serie bearbeiten das – oft auf den Mittelpunkt hin sich verdichtende – Motiv des Kreises. Mit den runden Leinwänden, die sie in der Art einer Drehscheibe waagrecht in Drehung versetzt, um so die Farbe auftragen zu können, beschäftigte Bettina Schünemann sich ausführlich im Rahmen eines Stipendiums, mit dem sie im Jahr 2008 von der Kulturstiftung des Freistaats Thüringen ausgezeichnet wurde.

Sehr zwingend wirkt die präzise konzentrische und konzentrierende Komposition, oft unterstützt durch zusätzliche speichenartige Elemente, die auf den Mittelpunkt hinweisen aber auch die Rotation des Kreismotivs suggerieren. „Konzentration ist der bewusste Gegensatz zur Beliebigkeit“, formuliert Bettina Schünemann.

Mit der Bearbeitung des sich nach innen verdichtenden Kreismotivs steht sie in einer langen geistes- und kulturgeschichtlichen Tradition. Der Kreis ist in vielen Kulturen ein wichtiges Sinnbild. Er ist nicht ausgerichtet, auf keinen Zielpunkt außer seiner Mitte hin orientiert, so galt er dem platonischen und neoplatonischen Denken als vollkommenste aller Formen. Hat er Speichen, kommt die Vorstellung vom Drehen, von Veränderung und Dynamik hinzu – in dieser Form begegnet man dem Kreis in spätromanischen Radfenstern und gotischen Fensterrosen.

Verwandt mit Bettina Schünemanns Tondi und „circulation“-Arbeiten sind auch die kreisförmigen Projektionen des mittelalterlichen Weltbilds, ebenso wie die spätmittelalterlichen Kosmogramme und Weltmodelle mit schalenförmig ineinander gelagerten kosmischen Sphären. Allesamt unterstützen solche Vorstellungsbereiche im Vorfeld von Bettina Schünemanns Bildfindungen die Sinnbildhaftigkeit dieser Bildform. Sie sind gestaltete Verdichtungen, Gedankenfelder von starker Anziehungskraft, die teils unter Spannung stehen, teils in scheinbar endlose Räume sich öffnen, teils in stillem Schweben verharren. (…)

aus: Dr. Angelika Steinmetz-Oppelland, Eröffnung der Ausstellung  im Universitätsklinikum Jena, am 21. März 2012